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 Modellbahn     2/3 2000



Digital für gigantische Treffen

Zwei Chiefs in Kassel

Von Reinhard Müller

Die Jahrestagung in Kassel diente u.a. dazu, Grenzen aufzuzeigen, etwa bei der Planung und dem Aufbau des Arrangements oder der Verpflegung, aber auch beim Digital-System! Da dieser Betrieb ein gewisses Maß an Mitarbeit der Zug- und Bahnhofsmannschaften erfordert, soll er an dieser Stelle allen kurz vorgestellt werden.

Auch wenn uns bis dahin das seit zwei Jahren verwendete DCC-System mit dem LocoNet selbst auf den bis dahin größten Treffen in Hammelburg, Braunschweig und Millingen uns treue Dienste geleistet hat, waren wir uns darüber im Klaren, daß Kassel zu groß sein könnte. Auf Bernds Frage, was man im Fall der Fälle machen kann, war klar, daß das Arrangement DCC-mäßig u.U. in zwei Teile geteilt werden müßte. Ich habe die Aufgabe übernommen, die technische Lösung für den Übergang zwischen den zwei Zentralen zu übernehmen.

Als am Freitag Abend der erste Fahrplan begann, haben wir das gesamte mit DCC betriebene Arrangement mit einem Chief gesteuert. Die Frage, ob das funktionieren würde, konnten wir wie "Radio Erivan" beantworten: "Im Prinzip ja, aber... ". Das System wurde - wie erwartet - träge. Die direkte Kontrolle der Lok war nicht so, wie wir uns das wünschten. Daher habe ich am Sonnabend Morgen das Arrangement auf die Lösung mit zwei Chiefs umgestellt. Zunächst eigentlich Testweise, denn ich hatte das vorher nicht proben können. Notfalls hätte ich innerhalb weniger Minuten wieder den Zustand vom Freitag hergestellt. Aber es lief so gut, daß die Zwei-Chief-Lösung beibehalten wurde. Wie aber funktioniert der Übergang zwischen den beiden getrennten DCC-Systemen?

Theorie

Es gibt einen umschaltbaren Streckenabschnitt, der wahlweise der einen oder anderen DCC-Zentrale zugeordnet wird. Fährt ein Zug von Zentrale A nach Zentrale B, wird die Strecke zunächst A zugeordnet, d.h. von einem Booster der Zentrale A versorgt. Wenn sich der Lokführer in die erste LN-Box von B einstöpselt, meldet sich der FRED mit allen notwendigen Informationen bei der Zentrale B an, die daraufhin die für den Zug notwendigen Datenpakete erzeugt. Befindet sich der Zug im umschaltbaren Streckenabschnitt, kann dieser einfach B zugeordnet werden, ohne daß man dem fahrenden Zug etwas anmerkt.

Zeichnung (7,6K)
Bild 1:Anordnung der Umschaltung zwischen den Zentralen.

Praxis

Der umschaltbare Streckenabschnitt lag in Kassel zwischen den Einfahrsignalen zwischen Wega und Goldscheuer. Beim Umschalter dachte ich zunächst an einen einfachen Kippschalter, wie wir ihn vor zwei Jahren in Lilienthal zur Umschaltung von analog auf digital verwendet hatten. Da der Streckenabschnitt aber vor der Einfahrt des Zuges in diesen auf die Zentrale des Ausgangsbahnhofs geschaltet werden muß, war eine Fernbedienung erforderlich. Also wurde zur Umschaltung ein Relais verwendet, das über vier Taster geschaltet werden kann: Zwei an der Strecke, die durch die Zugmannschaften bedient werden und jeweils ein Taster in den beiden Bahnhöfen, um die Strecke dem jeweiligen Bahnhof zuzuordnen. Um die Stellung des Relais überprüfen zu können, ist an jedem Taster noch eine Leuchtdiode angebracht.

Der Ablauf

Der Fdl drückt beim Stellen des Ausfahrsignals auf seinen Taster. Die Zugmannschaft fährt in die Strecke ein und stöpselt sich etwa beim Erreichen der Streckenmitte in die erste LN-Box des anderen DCC-Systems. Sobald der FRED grün anzeigt und sich der Zug vollständig auf der Strecke zwischen den Einfahrsignalen befindet, kann die Zugmannschaft mit dem neben der LN-Box angebrachten Taster die Strecke auf das andere DCC-System umschalten. Das war's.

Bild von den LN- und Umschaltboxen am Übergang(37K)
Bild 2: So in etwa sah der Übergang zwischen den Zentralen in Kassel aus.

Welche Probleme kann es bei diesem Betrieb geben: Wenn eine Lok den Bereich einer Zentrale nur kurzzeitig, d.h. für weniger als 10 Echtzeit-Minuten, verläßt, kennt die Zentrale bei der Rückkehr die Lok noch. Dies allerdings u.a. auch mit der alten, d.h. umgekehrten, Fahrtrichtung. Der FRED glaubt beim erneuten Anmelden, die Fahrtrichtung wäre im ausgesteckten Zustand umgeschaltet worden, und blinkt grün. Dann muß sich der Lokführer die Reglerstellung merken, die Geschwindigkeit auf Null und dann wieder auf den alten Wert stellen. Danach kann die Strecke umgeschaltet werden. Dieses Problem ist allerdings, soweit mir bekannt, nur bei meinen Testfahrten aufgetreten.

Dafür habe ich einen anderen Effekt erlebt. Nicht jeder hatte verstanden, daß erst der FRED in eine LN-Box des neuen Bereiches gesteckt werden muß und erst danach umgeschaltet werden sollte. Diese Fehlbedienung blieb aber ohne Folgen: Im neuen Bereich fand die Lok auch ein DCC-Signal vor, und fuhr daher mit der alten Geschwindigkeit weiter. Das keine Datenpakete für ihre Adresse dabei waren, hätte nach ca. 30 Sekunden zum Halt der Lok geführt. Da diese Zeit jedoch locker ausreichte, dem Lokführer mitzuteilen, daß er seinen FRED im neuen Bereich einstöpseln mußte, kam es nicht zum Halt und der Zug fuhr gleichmäßig weiter.

Was kann passieren, wenn vergessen wird umzuschalten? Dann tritt beim Überfahren der Trennstelle ein Kurzschluß auf, als wäre ein Boosterbereich verpolt. Unschön, aber es besteht keinerlei Gefährdung irgendwelcher Komponenten.

Was bedeutet das für die Zukunft: Wir können auch auf beliebig großen Treffen digital fahren. Die Trennstelle zwischen den Zentralen bedeutet keinerlei betrieblichen Einschränkungen, es ist kein Betriebshalt, Lok- oder Reglerwechsel oder gar ein Systemwechselbahnhof mit Analogelektrik erforderlich. Auch mehr als zwei Zentralen wären denkbar. Damit hat dieser Übergang nichts mit einem Systemwechsel zwischen zwei Systemen (z.B. zwischen NMRA-DCC und Selectrix) zu tun, der erhebliche betriebliche Einschränkungen und Probleme mit sich bringt.

Der Übergang funktioniert allerdings nicht mit der Intellibox, da sie (noch) nicht den Fahrstufenmodus vom FRED übernimmt. Dafür sollte er auch mit dem Selectrix-System funktionieren. Zwar treten bei Selectrix keine Probleme mit trägen Reaktionen ein, dafür hat der Eingabebus elektrische Grenzen, die bei einem reinen Selectrix-Betrieb in Kassel mit Sicherheit überschritten worden wären.



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