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FREMO digital, Entwicklung einer Norm?

Von Reinhard Müller

Einleitung

Die Entwicklung der digitalen Systeme geht auch am elektrotechnisch sehr konservativen FREMO nicht vorbei. Damit kein Wildwuchs entsteht, der ein vernünftiges Zusammenspiel unmöglich macht, sollte eine Norm oder zumindest eine Empfehlung entwickelt werden. Zwar bin ich nicht der Experte auf dem Gebiet der Digitalsysteme, das sind Carsten Möller, Stefan Bormann, Armin Mühl und sicherlich noch andere. Ich beobachte aber die Diskussionen mit einem gewissen elektrotechnischem Verständnis, und möchte daher hier den Aufbau eines Digitalsystems beschreiben und meine Meinung zu dem augenblicklichen Normungsbedarf sowie einige Vorschläge zu einer Norm darstellen.

Auch wenn hier von einer Norm die Rede ist, mehr als eine Empfehlung kann zur Zeit nicht gegeben werden. Der Begriff Norm drückt mehr die Hoffnung aus, daß sich der FREMO auf ein System einigt.

Bei der Festlegung dieser Norm sollten die gleichen Grundsätze wie bei anderen Normen innerhalb des FREMO gelten: So wenig wie möglich normen, damit dem Einzelnen ein möglichst großer Freiraum bleibt, gleichzeitig möglichst keine Teile vom Verein finanziert. Mit der zweiten Forderung, die sich auch aus den Erfahrungen mit der Ringleitung ergibt, wird erreicht, daß (1.) keine - zunächst baugrößenbezogenen - Investitionen durch den Verein erfolgen müssen, (2.) die Eigentümer die Geräte auch privat nutzen können, (3.) nicht Einer Alles mitbringen muß und (4.) eine klare Verantwortlichkeit für die Instandhaltung der Geräte gegeben ist. Außerdem sollte die Stromversorgung der Loks unabhängig von Weichenantrieben und anderen ortsfesten Geräten sein. Diese klare Trennung vermeidet Störungen und hat sich allgemein bewährt. Also: Das hier festzulegende System sollte nur Loks steuern, sonst nichts.

Im Gegensatz zu den meisten anderen Normen des FREMO sollte die Norm für das Digitalsystem für alle Baugrößen gleich sein. Das erleichtert den Austausch von Wissen, ermöglicht gegenseitiges Aushelfen mit Komponenten und ist insbesondere für Freunde mehrerer Baugrößen von Vorteil. Mit Baugrößen meine ich hier auch H0-RE, H0-USA, H0e, H0m, N, 0, 0e, 0m, ... .

Bei einem Digitalsystem handelt es sich um ein verteiltes System mit vielen Komponenten: Den Reglern (a) - u.U. auch Funkregler - die über einen Eingabebus (b) mit der Zentrale (c) verbunden sind. Die Zentrale steuert über den Ausgabebus (d) die Booster (e), über die die Decoder (f) in der Lok ihre Steuersignale erhalten. Im folgenden beschreibe ich die Anforderungen an die einzelnen Komponenten und den Umfang der meiner Meinung nach notwendigen Normung. Da die Überlegungen zur Normung im Vordergrund stehen, werden die Komponenten in umgekehrter Reihenfolge beschrieben.

fremodig.gif 12K: Komponenten eines Digital-Systems

Die Decoder

Die Decoder in den Loks unterliegen vielen individuellen Anforderungen im direkten Bezug zur Lok. Aus den Einbaumaßen, dem Motorentyp, den Anforderungen an das Fahrverhalten und dem Preis ergeben sich häufig so viele Einschränkungen, daß hier die größten Freiheiten notwendig sind. Es sollten auch neuere Decoder eingesetzt werden können, die 128 statt der bisher üblichen 14 bzw. 28 Fahrstufen unterstützen, und damit ein feinfühliges Steuern der Lokomotive ermöglichen, wie wir es von den analogen Reglern gewohnt sind. Daraus ergibt sich als minimaler Konsens, daß der Decoder NMRA-kompatibel sein sollte. Damit können zwar Decoder von Selektrix, FMZ (Fleischmann) und Märklin Digital nicht verwendet werden, wir machen uns aber nicht abhängig von einem einzelnen Hersteller. Insbesondere bei Selectrix ist nach der Übernahme durch Märklin zumindest die Weiterentwicklung fraglich.

Da die Decoder in die Loks der einzelnen Mitglieder eingebaut sind, stellt sich hier keine Eigentumsfrage.

Die Booster

Die Booster (Treiber) haben lediglich die Aufgabe, das Signal von der Zentrale zu Verstärken und ins Gleis einzuspeisen. Damit sind sie i.allg. unabhängig vom verwendeten System. Die maximale Gleislänge, die durch einen Booster versorgt werden sollte, umfaßt c.a. 30 m, wobei parallel liegende Gleise z.B. im Bahnhofsbereich auch getrennt gezählt werden. Auch wenn der mittlere Abstand der Betriebsstellen noch deutlich unter 20 m liegt - wir freuen uns ja schon über zehn Meter --, sollte jede Betriebsstelle einen eigenen Booster besitzen. Ausnahmen sind höchstens Anschlüsse und Abzweige auf freier Strecke ohne eigenen Ortsregler.

Der Vorteil ist, daß eine Störung z.B. durch einen Kurzschluß lokal begrenzt werden kann. Ein Kurzschluß sollte lokal angezeigt und quittiert werden. Außerdem reichen dann Booster mit 5 A Ausgangsstrom, so daß uns nicht gleich die Weichen verschmoren, wenn eine Lok auf ein falsch polarisiertes Herzstück fährt.

Da die Booster bei dieser Aufteilung des Arrangements quasi fester Bestandteil der Betriebsstellen sind, sollten sie auch Eigentumsmäßig zu diesen gehören. D.H. im Klartext, daß jeder, der eine Betriebsstelle mitbringt, auch einen Booster mitzubringen hat. Damit wir keine Wasserleitung (dickes und damit sehr steifes Kabel) für die Versorgung verlegen müssen, muß jeder Booster auch über ein lokales Netzteil versorgt werden bzw. ein eigenes Netzteil besitzen.

Der Ausgabebus

Ein typisches FREMO-Arrangement ist deutlich größer als der Bereich, der von einem Booster versorgt werden kann. Daher wird das Signal von der Zentrale über den Ausgabebus den Boostern zugeführt. Da das übertragene Signal dem auf der Schiene entspricht, müssen lediglich Stecker- und Kabeltyp festgelegt werden. Da die Ströme gering sind, reicht ein geringer Querschnitt.

Das Kabel für den Ausgabebus sollte zu den Boostern gehören. Da die Booster ohnehin nicht mehr als 20 m auseinander liegen, sollte die Länge bei zwei mal 10 m liegen, d.h 10 m Kabel plus 10 m Verlängerung für 20 m Maximallänge.

Die Zentrale

Nachdem bei den Decodern nur NMRA-Kompatibilität gefordert wurde, muß eine Zentrale alle Formate (14, 27, 28 und 128 Fahrstufen, erweitertes Format usw.) gleichzeitig unterstützen. Zudem sollten möglichst viele (> 99) Lokadressen möglich sein, um bei der Vergabe der Adressen systematisch vorgehen zu können und jeder Lok im FREMO eine feste Adresse zuordnen können. Die Adresse kann dann auf einer Lokkarte (entsprechend zu unseren Wagenkarten) eingetragen werden, um bei der Übernahme einer Lok ihrer Adresse schnell finden zu können. Außerdem müssen auf größeren Treffen mindestens 30 Regler gleichzeitig betreibbar sein; eine Maximalzahl von 50 bis 60 sollte genügend Spielraum für die Zukunft bieten. Keines der europäischen Systeme erfüllt diese Anforderungen!

Bei den Eigentumsverhältnissen könnte zunächst daran gedacht werden, daß der Verein eine Zentrale zur Verfügung stellt. Da aber Treffen an weit auseinanderliegenden Orten, z.T. auch gleichzeitig, stattfinden und außerdem bei den größeren Treffen mehrere Baugrößen vertreten sind, wäre eine relativ große Anzahl an Zentralen vorzuhalten. Außerdem stellt sich dann, wie bei der Ringleitung, wieder die Frage, wer die Zentralen lagert, wartet und transportiert.

Daher ist es m.E. sinnvoll, daß einzelne Mitglieder ihre eigenen Zentralen zu den Treffen mitbringen. Ohne eine ausreichende Anzahl an Mitgliedern, die auch zu Hause digital fahren, wird sich ein Digitalsystem ohnehin nicht durchsetzen und auch keine ausreichende Zahl an Digitalloks zur Verfügung stehen. Wer möchte, daß auch im FREMO digital gefahren wird, muß sich eben eine ausreichend leistungsfähige Zentrale anschaffen. Einzig für den - sehr unwahrscheinlichen - Fall, daß eine Zentrale auf einem Treffen beschädigt wird, ist ein Schadensersatz durch den Verein sinnvoll. Anderenfalls würde das gesamte Risiko einem einzelnen Mitglied aufgebürdet.

Der Eingabebus

Da es beim Eingabebus bisher noch keine Normen gibt und es auch in absehbarer Zeit nicht geben wird, müssen wir uns auf die Norm eines Herstellers festlegen. Damit muß zunächst auch die Zentrale dieses Herstellers verwendet werden. Da aber einige Zentralen auch die Eingabebusse anderer Hersteller unterstützen (werden), gibt es hier Hoffnung, nicht dauerhaft von einem Hersteller abzuhängen.

Damit bei jeder Betriebsstelle Ortsregler angeschlossen werden können, und um auch ohne Funkregler fahren zu können, muß sich der Eingabebus über das gesamte Arrangement erstrecken. I. allg. fließen auf dem Eingabebus nur geringe Ströme, so daß keine besonderen Anforderungen an den Querschnitt bestehen. Damit kann und sollte der Eingabebus mechanisch mit dem Ausgabebus zusammengefaßt werden, um den ansonsten notwendigen doppelten Verdrahtungsaufwand zu vermeiden. Damit ist auch die Eigentumsfrage geklärt.

Die Regler

Die Regler werden über den Eingabebus mit der Zentrale verbunden und sind damit auch systemabhängig, wobei das Datenformat vom Eingabebus abhängt. Dabei sollten für Zugmannschaften nach Möglichkeit Funkregler zur Verfügung stehen. Außerdem benötigt jede Betriebsstelle einen oder mehrere Ortsregler.

Die Ortsregler sollten wie die Booster zu den Betriebsstellen gehören. Vom Aufbau her ist es am einfachsten, wenn an den Boostern auch die Anschlüsse an den Eingangsbus sitzen. Bei den Reglern für die Zugmannschaften habe ich selbst noch keine schlüssige Idee. Zunächst werden wir sicherlich auch hierfür kabelgebundene Regler verwenden, wie sie bei Heimanlagen von Mitgliedern Verwendung finden.

Zusammenfassung

Beim Ausgabebus, den Boostern und den Decodern sehe ich keine Probleme, d.h. geringen Normungsbedarf, da diese, NMRA-Kompatibilität vorausgesetzt, systemunabhängig sind.

Die wesentliche Norm wird den Eingabebus und die Zentrale festlegen. Diese sollte alle Formate unterstützen, und es sollte nach Möglichkeit bereits zum Eingabebus passende Funkregler geben. In diesem Bereich - verfügbare Regler für welche Eingabebusse unterstützt von welcher Zentrale - sehe ich auch den größten Informationsbedarf. Armin Mühl hat hier schon viel Vorarbeit geleistet. Wer sich an der aktuellen Diskussion, insbesondere per e-Mail, konstruktiv beteiligen möchte, wende sich an Stefan Bormann.

Wie geht es weiter?

Was uns noch fehlt sind Informationen über erfolgreiche Einsätze von Digitalsystemen. Im Bereich schließen wir mal ein System an und sehen, ob es knallt haben wir schon ausreichend Erfahrung. Denn ohne ausreichende Vorplanung, insbesondere unter den besonderen Aspekten einer größeren Modulanlage, sind solche Versuche von vorneherein zum Scheitern verurteilt.

Bei weiteren eigenen Versuchen sollten wir daher zunächst das System unserer Wahl auf kleinen, privaten Treffen ausprobieren, bei denen nicht der Fahrplan im Vordergrund steht. Erfolgreiche Tests vorausgesetzt, können danach erste digitale Regionaltreffen veranstaltet werden. Dabei sollten die Besitzer von Betriebsstellen ohne Booster von den Verfechtern des Digitalsystems mit Boostern und Know-How unterstützt werden. Bis zum ersten Einsatz eines Digitalsystems auf einer Jahrestagung oder einem Herbsttreffen wird noch viel Zeit vergehen.



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